Die historischen Wurzeln moderner Konflikte: Von den Mauren bis zur multipolaren Weltordnung

am

Die Geburt des modernen Weltsystems (1400-1600)

Die heutigen globalen Konflikte lassen sich bis in die Epoche der iberischen Expansion zurückverfolgen, als Portugal und Spanien die Grundlagen für das erste globale Machtsystem legten:

Das maurische Erbe und die Reconquista

  • Die 700-jährige maurische Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel (711-1492) schuf ein kulturelles Amalgam aus arabischer, jüdischer und christlicher Tradition
  • Die Vertreibung der Mauren und Juden 1492 markierte den Beginn eines expansionistischen Christentums
  • Dieses Trauma prägt bis heute das Verhältnis zwischen Europa und der islamischen Welt

Portugals globale Revolution

  • Heinrich der Seefahrer initiierte im 15. Jh. die systematische Erforschung Afrikas
  • 1415: Eroberung Ceutas – erster europäischer Brückenkopf in Afrika
  • 1488: Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung durch Bartolomeu Dias
  • Diese Expansion schuf die ersten globalen Handelsnetzwerke und Konfliktlinien

Die geopolitischen Erblasten des Kolonialzeitalters

Die heutigen Großmächte setzen historische Rivalitäten fort:

MachtHistorische WurzelnModerne Interessen
USANachfolger britischer SeemachtKontrolle globaler Handelsrouten
ChinaWiederbelebung der Ming-Dynastie AmbitionenNeue Seidenstraße
RusslandErbe des Zarenreichs und SowjetunionSicherung eurasischer Landbrücke
EUNachfolger kolonialer MächteRessourcensicherung in Afrika
TürkeiOsmanisches ErbeNeo-osmanische Regionalpolitik

Die historischen Knotenpunkte heutiger Konflikte

1. Naher Osten: Das osmanische Vakuum

  • Der Zusammenbruch des Osmanischen Reichs 1922 hinterließ ein Machtvakuum
  • Willkürliche Grenzziehungen durch Sykes-Picot (1916) schufen künstliche Staaten
  • Der israelisch-palästinensische Konflikt wurzelt in britischem Kolonialmanagement

2. Afrika: Die Wunden des Sklavenhandels

  • 15.-19. Jh.: Versklavung von 12+ Millionen Afrikanern
  • Belgische, französische und britische Kolonialgrenzen zerschnitten ethnische Räume
  • Die DR Kongo leidet bis heute unter den Folgen von Leopolds Schreckensherrschaft

3. Asien: Unvollendete Dekolonisation

  • Britische „Divide et impera“-Politik in Indien führte zur Teilung 1947
  • Frankreichs Indochina-Krieg (1946-54) legte Grund für Vietnamkrieg
  • Japans Kriegsverbrechen prägen bis heute ostasiatische Beziehungen

Die neuen globalen Machtkonstellationen

Die Rückkehr der historischen Rivalitäten

  1. USA vs. China: Wiederholung des britisch-deutschen Machtkampfs (19. Jh.)
  2. Russland vs. EU: Kontinuität der russisch-westlichen Gegensätze seit Iwan dem Schrecklichen
  3. Türkei vs. Arabische Welt: Neo-osmanische Ambitionen treffen auf arabischen Nationalismus

Energie als modernes Äquivalent zu Gewürzen

  • Wie im 16. Jh. Gewürze Kriege auslösten, kämpfen heute Mächte um:
    • Öl im Nahen Osten
    • Seltene Erden in Afrika
    • Wasserstofftechnologien

Lösungsansätze aus der Geschichte lernen

  1. Handelsstädte als Vorbild: Wie einst Venedig und Alexandria könnten Sonderwirtschaftszonen Konflikte entschärfen
  2. Kulturelle Brücken: Wiederbelebung der maurischen Tradition des Dialogs
  3. Neue Nicht-Polarität: Multipolare Ordnung statt bipolarem Denken

Historische Lehre: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, ist verdammt, sie zu wiederholen“ (Santayana) – Die Analyse historischer Muster ist kein akademisches Exercise, sondern Überlebensnotwendigkeit in einer vernetzten Welt.

*Quellen: [1] Braudel: Das Mittelmeer [2] Abu-Lughod: Before European Hegemony [3] Darwin: Der imperiale Traum*