Kaiser Johannes IV. von Äthiopien: Handelsnetzwerke und territoriale Expansion

🌄 Einleitung: Der Kaiser der Kaiser

Kaiser Johannes IV. (geboren als Kassa Mercha, reg. 1872–1889) war nicht nur ein militärischer Stratege, sondern auch ein geschickter Wirtschaftsführer, der die Handelsströme des äthiopischen Reiches kontrollierte und erweiterte. Seine Herrschaft markierte das Ende der „Zemene Mesafint“ (Ära der Fürsten) und die Wiederherstellung der kaiserlichen Zentralmacht.


🏛️ Primäre Handelsgüter unter Johannes IV.

1. Traditionelle äthiopische Exportgüter

HandelsgutBedeutungHandelsrouten
KaffeeHauptexportgut, begehrt in arabischen Ländern und EuropaMassawa–Aden–Jeddah
GoldAus Minen in Tigray und WolloKarawanenrouten nach Sudan
ElfenbeinGejagt in Grenzregionen zu Sudan und SüdenÜber Sawakin und Massawa
Sklaven *Umstritten, aber wirtschaftlich bedeutendNach Arabien und Osmanisches Reich
Honig & BienenwachsTraditionelle Produkte für liturgische und medizinische ZweckeLokale und regionale Märkte

Anmerkung: Johannes IV. versuchte, den Sklavenhandel einzuschränken, konnte ihn aber aufgrund wirtschaftlichen Drucks nicht vollständig abschaffen.

2. Importgüter

  • Firearms (Gewehre und Munition) aus Europa über Massawa
  • Textilien aus Indien und Europa
  • Silber und Kupfer für Münzprägung
  • Religiöse Artefakte für die äthiopisch-orthodoxe Kirche

🗺️ Territoriale Ausdehnung des Reiches

Kerngebiete unter direkter Kontrolle:

  • Tigray (seine Heimatregion)
  • Amhara (einschließlich Gondar)
  • Teile von Wollo und Lasta
  • Nördliche Shewa (obwohl Menelik II. dort semi-autonom herrschte)

Vasallenstaaten und tributpflichtige Regionen:

  • Shewa unter Ras Menelik (später Menelik II.)
  • Gojjam unter Ras Adal
  • Wollega und Illubabor im Südwesten
  • Begemder und Semien

Umstrittene Grenzregionen:

  • Westliche Grenze zum Sudan: Häufige Konflikte mit Mahdisten
  • Nördliche Grenze zu Eritrea: Italienische Kolonialambitionen
  • Östliche Somali-Gebiete: Begrenzte Kontrolle über Ogaden

🛣️ Handelsrouten und strategische Partnerschaften

Haupthandelsrouten:

  1. Massawa–Adwa–Gondar: Nördliche Route zum Roten Meer
  2. Zeila–Harar–Shewa: Östliche Route zum Golf von Aden
  3. Metemma–Gondar: Westliche Route zum Sudan

Internationale Handelsbeziehungen:

  • Großbritannien: Firearms-Importe gegen Kaffee-Exporte
  • Osmanisches Reich: Begrenzter Handel über Hafenstädte
  • Italien: Ambivalente Beziehung – Handel trotz politischer Spannungen
  • Französische Händler: Aktiv in Shewa und Harar

⚔️ Militärische Sicherung der Handelswege

Schlüsselschlachten für Handelskontrolle:

  • Schlacht von Gundet (1875): Sicherung der nördlichen Route gegen Ägypten
  • Schlacht von Gura (1876): Verteidigung des Zugangs zum Roten Meer
  • Schlacht von Dogali (1887): Abwehr italienischer Kontrollversuche über Massawa
  • Gefechte gegen Mahdisten: Schutz der westlichen Handelsrouten

💰 Wirtschaftspolitik und Steuersystem

Steuereinnahmen:

  • Landsteuer (Asrat): Traditionelle landwirtschaftliche Abgabe
  • Handelszölle: An wichtigen Handelsknotenpunkten
  • Tributzahlungen: Von unterworfenen Regionen und Vasallen

Münzprägung:

  • Johannes IV. führte Silbertaler (Maria-Theresien-Taler Nachprägungen) ein
  • Gold- und Kupfermünzen für lokalen Handel
  • Stärkung der einheitlichen Währung im Reich

🌍 Geopolitische Bedeutung des Handels

Strategische Herausforderungen:

  • Italienische Blockadeversuche: Beschränkung des Zugangs zu Massawa
  • Mahdistische Störungen: Unterbrechung der Sudan-Routen
  • Britischer Einfluss: Versuche, äthiopischen Handel zu kontrollieren

Diplomatische Handelsabkommen:

  • Vertrag mit Großbritannien (1884): Begrenzte Handelszugeständnisse
  • Abkommen mit Italien (1889): Umstrittene Regelungen zu Eritrea
  • Regionale Bündnisse: Mit lokalen Händlerclans und Hafenherren

📉 Wirtschaftliche Herausforderungen

Probleme:

  • Abhängigkeit von Firearms-Importen: Hohe Ausgaben für Waffen
  • Begrenzte Hafenkontrolle: Verlust von Massawa an Italien 1885
  • Intermittierende Handelsunterbrechungen: Durch Konflikte und Rebellionen

Lösungsansätze:

  • Diversifizierung der Handelsrouten: Nutzung alternativer Wege
  • Stärkung der Binnenwirtschaft: Förderung lokaler Produktion
  • Diplomatische Verhandlungen: Mit europäischen Mächten

🏛️ Vermächtnis und wirtschaftliche Auswirkungen

Positive Entwicklungen:

  • Vereinheitlichung des Steuersystems
  • Stabilisierung der Handelsrouten nach Jahrzehnten der Unordnung
  • Grundlage für spätere wirtschaftliche Entwicklung unter Menelik II.

Langfristige Konsequenzen:

  • Verlust des Zugangs zum Meer durch italienische Kontrolle Eritreas
  • Zunehmende Abhängigkeit von europäischen Firearms-Importen
  • Wirtschaftliche Schwächung durch constante Kriegsführung

📚 Bibliographische Anmerkungen

Primärquellen:

  • Kaiserliche Chroniken Johannes IV.
  • Britische Konsularberichte aus dieser Zeit
  • Italienische Kolonialarchive

Sekundärliteratur:

  • Rubenson, S. „The Survival of Ethiopian Independence“
  • Marcus, H. „A History of Ethiopia“
  • Pankhurst, R. „Economic History of Ethiopia“

Zusammenfassung:
Kaiser Johannes IV. kontrollierte ein Reich, das sich vom heutigen Eritrea bis in die zentralen äthiopischen Hochländer erstreckte. Seine Wirtschaft stützte sich auf traditionelle Exportgüter wie Kaffee, Gold und Elfenbein, während er gleichzeitig moderne Firearms importierte, um sein Reich gegen äußere Bedrohungen zu verteidigen. Trotz militärischer Erfolge gelang es ihm nicht, den vollständigen Zugang zum Roten Meer zu sichern, was die langfristige wirtschaftliche Entwicklung Äthiopiens beeinträchtigte.


Daniel Feseha Melesse
Historisches Forschungsinstitut für das Horn von Afrika
Adey Meselesh GmbH
📧 daniel_melesse@gmx.de | 🌐 www.daloa.de

Stand: März 2024

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