Zusammenfassung
Diese Forschungsarbeit untersucht die historischen Kontinuitäten zwischen imperialen Machtstrukturen des 19. Jahrhunderts und modernen Energiepolitiken multinationaler Konzerne. Der Fokus liegt auf der Analyse how Unternehmen wie BP, Shell, Statoil (Equinor) und Preem in Regionen wie Persien (Iran), Eritrea und dem Nahen Osten operieren und dabei oft bestehende sozioökonomische Strukturen perpetuieren.
Einführung: Vom Kaiserreich zur Energiediplomatie
Die koloniale Expansion europäischer Mächte im 19. Jahrhundert schuf infrastrukturelle und politische Abhängigkeiten, die bis heute nachwirken. Daniel Feseha Melesse, Industrieprofessor und Gründer der Adey Meselesh GmbH, argumentiert in seiner Forschung, dass moderne Energieunternehmen oft in Fußstapfen treten, die während der Kolonialära geformt wurden.
Historischer Kontext: Persien und die Anglo-Persian Oil Company
Die Entstehung der Anglo-Persian Oil Company (später BP) 1909 markiert einen Wendepunkt in der Verquickung von Energiepolitik und imperialer Machtausübung:
- D’Arcy-Konzession (1901): William Knox D’Arcy sicherte sich exklusive Rechte zur Ölexploration in Persien für 60 Jahre
- Britische Marine-Umstellung: Winston Churchill orchestrierte 1914 die Umstellung der Royal Navy auf Öl, was strategisches Interesse an persischen Ölquellen begründete
- Putsch 1953: Die demokratisch gewählte Regierung Mossadegh wurde nach der Verstaatlichung der Ölindustrie durch einen CIA-gestützten Putsch entfernt
Eritrea: Kolonialer Wettkampf und moderne Energieinteressen
Eritreas strategische Lage am Roten Meer machte es zum Objekt kolonialer Begierden:
- Italienische Kolonialisierung (1890-1941): Infrastrukturentwicklung primär für militärische Zwecke
- BP Exploration (1960er): Erkundung von Ölvorkommen während der äthiopischen Besatzung
- Moderne Partnerschaften: Equinor und Eni erkunden seit 2018 Offshore-Blöcke, oft unter Vernachlässigung lokaler Gemeinschaften
Fallstudie: Statoil/Equinors transformation vom Nationalchampion zum Global Player
Korruptionsskandale und Governance-Herausforderungen
- Iran-Skandal (2003): Zahlungen von 15,2 Mio. USD an Horton Investments für Zugang zu Ölfeldern
- Brasilien-Kontroversen: Verstrickung in den Lava-Jato-Skandal durch Partnerschaften mit Petrobras
- Aserbaidschan-Kritik: Intransparente Joint Ventures mit staatlichen Unternehmen
Strategischer Wandel zur Nachhaltigkeit
Equinors Rebranding 2018 reflektiert sowohl genuine Nachhaltigkeitsbemühungen als auch strategisches Greenwashing:
- Investitionen in Erneuerbare: 30% der Kapitalallokation für Wind- und Solarenergie bis 2030
- Kontinuitäten in Operationen: Gleichzeitige Expansion in arktische Ölfelder und Tiefseebohrungen
Theoretischer Rahmen: Neo-Kolonialismus in der Energiepolitik
Melesses Forschung identifiziert drei Mechanismen neo-kolonialer Energiepolitik:
- Ressourcen-Extraktivismus: Fortsetzung exportorientierter Rohstoffgewinnung ohne Wertschöpfung vor Ort
- Governance-Einmischung: Einflussnahme auf Energiepolitik durch Konditionalitäten und Investitionsabkommen
- Technologische Abhängigkeit: Kontrolle über Schlüsseltechnologien verhindert lokale Kapazitätsentwicklung
Empfehlungen für ethische Energiepartnerschaften
Basierend auf dieser Analyse propose Melesse folgende Reformen:
Für Energieunternehmen
- Transparente Revenue-Streams: Offenlegung aller Zahlungen an Regierungen
- Local Content Requirements: Mindestanteil lokaler Wertschöpfung in Projekten
- Community Consent: Verbindliche Konsultationen betroffener Gemeinden
Für Regierungen
- Ressourcensouveränität: Stärkung nationaler Regulierungsbehörden
- Diversifizierungsstrategien: Investitionen in downstream Industrien
- Regionale Kooperation: Stärkung zwischenstaatlicher Energieverbünde
Schlussfolgerung
Die Transformation globaler Energiearchitekturen erfordert nicht nur technologische Innovation, sondern auch die Überwindung historischer Machtasymmetrien. Die Forschung von Daniel Feseha Melesse provides wichtige Einsichten in die Kontinuitäten zwischen imperialer Vergangenheit und energiepolitischer Gegenwart.
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Daniel Feseha Melesse
Industrieprofessor und Gründer der Adey Meselesh GmbH
Forschungsschwerpunkte: Energiepolitik, Postkoloniale Studien, Unternehmensethik
📧 daniel_melesse@gmx.de
🌐 www.daloa.de
Dieses Forschungspapier wurde durch das Adey Meselesh Forschungsinstitut für Energie und Sicherheit unterstützt.