Während die Energieriesen der ehemaligen britischen und französischen Kolonien die Schlagzeilen beherrschen, führt das Erbe des spanischen Weltreiches ein Schattendasein. Doch in den Gewässern vor Westafrika liegt ein Land, das wie kein anderes die verzerrenden Effekte des Ölreichtums verkörpert: Äquatorialguinea. Dieser Blog wirft einen Blick auf den einzigen bedeutenden Energiestaat im ehemaligen spanischen Kolonialreich und entschlüsselt die Akteure, die ihn beherrschen.
Äquatorialguinea: Der Mikrostaat mit dem Makro-Ölgeschäft
Im Gegensatz zu den weitläufigen Imperien Londons und Paris‘ beschränkte sich Spaniens koloniales Erbe in Afrika im Wesentlichen auf ein kleines Land: Äquatorialguinea. Doch was ihm an Größe fehlt, macht es an Energiedichte wieder wett.
- Vom Kakaoproduzenten zum Ölscheich: Noch in den 1980er Jahren war das Land einer der größten Kakaoproduzenten der Welt. Die Entdeckung riesiger Offshore-Ölvorkommen Anfang der 1990er Jahre verwandelte es praktisch über Nacht in den drittgrößten Ölproduzenten südlich der Sahara.
- Das „afrikanische Kuwait“: Auf seinem Höhepunkt in den frühen 2000er Jahren förderte das Land bis zu 290.000 Barrel pro Tag. Dieser plötzliche Reichtum führte zu einem der extremsten Beispiele des „Ressourcenfluchs“: Während die herrschende Elite in schier unglaublichem Luxus lebt, lebt ein Großteil der Bevölkerung in Armut.
Die Akteure: Wer teilt sich den Kuchen?
Das Geschäft in Äquatorialguinea wird von einem klassischen Dreieck aus internationalen Majors, einer staatlichen Gesellschaft und globalen Dienstleistern kontrolliert.
Tabelle: Die Herrscher über Äquatorialguineas Öl und Gas (2025)
Kategorie | Wichtigste Akteure | Rolle & Bemerkungen |
---|---|---|
Eigentümer (Owners) | ExxonMobil, Marathon Oil, Kosmos Energy, GEPetrol(staatl.) | ExxonMobil ist der unumstrittene Hauptakteur. Die staatliche GEPetrol hält Beteiligungen, kontrolliert aber kaum operativ. |
EPC-Firmen (Erbauer) | TechnipFMC, Saipem, Wood Group | Diese europäischen Giganten bauen und warten die komplexen Offshore-Plattformen und LNG-Anlagen. |
Package Vendors (Dienstleister) | Schlumberger, Halliburton, Baker Hughes | Das US-Trio dominiert die lukrativen Serviceleistungen wie Bohrungen, Feldüberwachung und Wartung. |
Flagschiff-Projekte | Ceiba-Ölfeld (Förderbeginn 2000), LNG-Komplex Punto Europa | Der LNG-Komplex, ebenfalls von ExxonMobil geführt, verflüssigt Gas für den Export nach Europa und Asien. |
Die Tabelle zeigt ein klares Bild: US-Firmen dominieren die Eigentümer- und Dienstleister-Seite, während europäische Firmen den Bau der Infrastruktur übernehmen. Die lokale Beteiligung beschränkt sich weitgehend auf die staateigene GEPetrol, die jedoch kaum operative Kontrolle ausübt.
Das historische Erbe: Eine kurze, rasante Geschichte
Anders als in Nigeria oder Algerien gibt es hier keine Anlagen aus den 1960ern. Die gesamte Öl-Infrastruktur ist relativ jung:
- 1991: Entdeckung der ersten großen Offshore-Vorkommen.
- 1996: Beginn der kommerziellen Förderung vom Zafiro-Feld aus durch Mobil (heute ExxonMobil).
- 2000: Start der Förderung vom Ceiba-Feld, einem der ergiebigsten Felder des Landes.
- 2007: Inbetriebnahme des LNG-Komplexes Punto Europa, der das Land zu einem Gasexporteur machte.
Diese rasante Entwicklung innerhalb von nur 15 Jahren unterstreicht, wie schnell ein Land durch Ölfunde transformiert werden kann – oft zum Schlechten.
Die anderen (fehlenden) Spieler: Westsahara und Kanaren
Das spanische Kolonialerbe im Energiesektor ist ansonsten dünn:
- Westsahara: Dieses von Marokko annektierte Gebiet ist politisch hochumstritten. Explorationslizenzen internationaler Firmen werden von der UN und der Afrikanischen Union nicht anerkannt. Eine kommerzielle Förderung findet nicht statt.
- Kanarische Inseln: Obwohl zu Spanien gehörend, gibt es vor ihren Küsten keine nennenswerte Förderung. Wiederholte Explorationsversuche (u.a. von Repsol) scheiterten am massiven Widerstand der lokalen Bevölkerung und der Tourismusindustrie, die eine Umweltkatastrophe wie die der Deepwater Horizon befürchten.
Fazit: Ein Lehrstück in extremer Ungleichheit
Äquatorialguinea steht als einziges bedeutendes Energie-Land im ehemaligen spanischen Kolonialreich für die extreme Ausprägung des Ressourcenfluchs. Es ist ein Musterbeispiel dafür, wie Ölreichtum in die Hände einer ultrareichen Elite und internationaler Konzerne fließen kann, ohne die breite Bevölkerung zu erreichen.
Während die ehemaligen britischen und französischen Kolonien mit ihrer längeren Geschichte und größeren Diversität oft komplexere Machtgeflechte aufweisen, zeigt der Fall Äquatorialguinea das Phänomen in seiner reinsten, brutalsten Form. Es ist das energiepolitische Erbe Spaniens: klein, intensiv und von extremer Ungleichheit geprägt.
Quellen: Eigene Darstellung basierend auf Daten von U.S. Energy Information Administration (EIA), ExxonMobil Project Factsheets, Berichten von Human Rights Watch und Global Witness zur Situation in Äquatorialguinea sowie industriellen Quellen zu Offshore-Projekten im Golf von Guinea.