Während die Ära des British Empire offiziell endete, baute es ein informelles, weitaus mächtigeres Reich auf: ein globales Netzwerk aus Energieproduktion, das bis heute die weltweiten Öl- und Gasströme dominiert. Von den flachen Gewässern der Nordsee bis zu den komplexen Sümpfen des Nigerdeltas formen britische Unternehmen, Standards und Kapitalströme die energiewirtschaftliche Realität in ihren ehemaligen Kolonien. Dieser Blog gibt einen Überblick über die wichtigsten Player, Projekte und die historischen Wurzeln dieses Einflusses im Jahr 2025.
Die strategische Landkarte: Von der Nordsee zum Nigerdelta
Die ehemaligen britischen Kolonien im Energiesektor lassen sich in drei Kategorien einteilen:
- Der etablierte Gigant: Nigeria – Afrikas größter Ölproduzent mit einer seit den 1950er Jahren aufgebauten, aber konfliktgeplagten Förderinfrastruktur im Nigerdelta.
- Die aufstrebenden Gas- und Ölstaaten West- und Ostafrikas (Ghana, Tansania, Uganda): Hier entstehen neue Förderzentren, oft mit Fokus auf Offshore-Gas (Ghana, Tansania) und Onshore-Öl (Uganda).
- Die globalen Schwergewichte außerhalb Afrikas (Katar, Malaysia, Oman, UK): Diese Nationen sind etablierte, teils weltweit führende Produzenten von LNG (Katar) und Öl (Malaysia, Oman, UK).
Die Akteure: Die Erben des Empire
Das Geflecht aus Eigentümern, Bauherren und Zulieferern wird von einem Mix aus „Big Oil“, staatlichen Unternehmen und internationalen Dienstleistern dominiert. Britische Unternehmen sind oft die architektonische Kraft im Hintergrund.
Tabelle: Schlüsselakteure in ausgewählten ehemaligen britischen Kolonien (2025)
Land | Eigentümer (Owners) | EPC-Firmen (Erbauer) | Package Vendor (Zulieferer) | Historische Altanlagen (Inbetriebnahme) |
---|---|---|---|---|
Nigeria | Shell, ExxonMobil, Chevron, NNPC (staatl.) | Saipem, TechnipFMC, McDermott | Schlumberger, Halliburton, Baker Hughes | Oloibiri (1956), Nigerdelta-Felder (seit 1960er) |
Ghana | Tullow Oil, Kosmos Energy, GNPC (staatl.) | Saipem, Aker Solutions | Schlumberger, Halliburton | Jubilee Field (2010) |
UK (Nordsee) | BP, Shell, Harbour Energy | TechnipFMC, Saipem, Petrofac | Baker Hughes, Schlumberger | Forties Field (1975), Brent Field (1976) |
Katar | QatarEnergy, ExxonMobil, Shell | Chiyoda Corp., Technip, McDermott | Schlumberger, Halliburton | North Field (1990er) |
Malaysia | PETRONAS (staatl.), Shell, ExxonMobil | Sapura Energy, TechnipFMC, Saipem | Schlumberger, Halliburton | Offshore-Felder (seit 1970er) |
Schlüssel zum Verständnis:
- Staatl. = Staatliche Gesellschaft
- EPC = Engineering, Procurement, Construction
- Fett gedruckt = Besonders einflussreicher/britisch geprägter Akteur
Wie die Tabelle zeigt, sind die britischen Giganten Shell und BP die bei weitem dominierenden ausländischen Eigentümer und Betreiber. Shell ist insbesondere in Nigeria, Brunei und Malaysia tief verwurzelt. Bei den Erbauern (EPC) teilen sich die europäischen Giganten TechnipFMC und Saipem den Markt, während die US-Dienstleister Schlumberger und Halliburton die Service- und Zulieferverträge dominieren.
Das historische Erbe: Von der ersten Bohrung zum „Ressourcenfluch“
Die Infrastruktur in vielen dieser Länder ist ein direktes Erbe der britischen Kolonial- und Postkolonialära:
- Nigeria: Die erste kommerzielle Ölquelle wurde 1956 von Shell-BP im Dorf Oloibiri im Nigerdelta erschlossen. Die Förderung begann 1958 und legte den Grundstein für den heutigen, von Umweltzerstörung und Konflikten geprägten Nigerdelta.
- UK (Nordsee): Die Entdeckung der Forties- und Brent-Ölfelder in den 1970er Jahren machte Großbritannien zu einem globalen Energieplayer und finanzierte die Ära Thatcher mit.
- Brunei: Die Ölförderung unter der Kontrolle von Shell begann hier bereits 1929 und verwandelte den kleinen Staat in eines der reichsten Länder der Welt.
Dieses historische Erbe hat oft einen „Ressourcenfluch“ hinterlassen: Trotz immenser Einnahmen leiden viele Produzentenländer unter Korruption, extremer Ungleichheit und ökologischen Katastrophen, wie im Nigerdelta sichtbar.
Herausforderungen und Ausblick
Die energiepolitische Zukunft dieser Länder ist im Wandel begriffen:
- Der Druck der Energiewende: Als Betreiber alter, teils ineffizienter Anlagen (wie in der Nordsee) stehen BP und Shell unter dem Druck von Investoren und Aktivisten, ihre fossilen Assets abzustoßen. Dies führt oft zum Verkauf an kleinere Firmen mit niedrigeren Umweltstandards.
- Lokale Content-Konflikte: In Ländern wie Nigeria und Ghana wächst der politische Druck, lokale Unternehmen stärker in die Wertschöpfungskette einzubinden („Local Content“), was zu Spannungen mit internationalen Konzernen führt.
- Geopolitische Verschiebungen: Chinas wachsender Einfluss in Afrika bietet ehemaligen Kolonien alternative Investoren und schwächt damit die traditionelle Vormachtstellung britischer und westlicher Konzerne.
Fazit:
Das britische Empire mag Geschichte sein, sein energiepolitisches Erbe ist es nicht. Durch die Dominanz von Shell und BP, gestützt auf eine jahrzehntealte Infrastruktur, übt das Vereinigte Königreich weiterhin enormen Einfluss auf die globale Energieversorgung aus. Die Frage für 2025 ist, ob dieses Modell den doppelten Herausforderungen der Energiewende und der Forderung nach mehr lokaler Gerechtigkeit standhalten kann. Der Ausgang dieses Ringens wird nicht nur die Zukunft dieser Länder, sondern die der globalen Energiesicherheit bestimmen.
Quellen: Eigene Darstellung basierend auf Daten von BP Statistical Review, Shell Annual Reports, Nigeria National Petroleum Corporation (NNPC), Africa Oil & Power Reports sowie historischen Analysen zur Ölindustrie in Nigeria und dem Mittleren Osten.