Von Öl und Gas zu Banken: Warum der Finanzsektor eigene Risikostandards braucht

Die Kapitalmarkt-, Banken- und Versicherungsindustrie in Deutschland steht vor einer paradoxen Situation: Während sie für andere Branchen ausgefeilte Risikostandards entwickelt hat – insbesondere im Öl- und Gas-Sektor –, fehlt es an einer übergreifenden Systematik für die eigenen, systemischen Risiken. Mit einer Bilanzsumme im Billionen-Euro-Bereich und Beitragseinnahmen von 250 Milliarden Euro allein in der Versicherungsbranche (2025) ist die Finanzindustrie nicht nur systemrelevant, sondern auch besonders anfällig für vernetzte Risiken.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Finanzbranche

Die Zahlen unterstreichen die Dimension: Die Versicherungsbranche erwartet 2025 ein Beitragswachstum von 5% auf 250 Milliarden Euro, wobei die Schaden- und Unfallversicherungen mit 7,5% Wachstum besonders dynamisch sind. Die Lebensversicherung trägt weitere 96 Milliarden Euro bei, die private Krankenversicherung 56 Milliarden Euro. Hinter diesen Zahlen stehen Zehntausende Beschäftigte bei großen Versicherern wie AXA Deutschland (8.091 Mitarbeiter) und Hunderttausende im Bankensektor.

Öl- und Gas-Standards als Blaupause für die Finanzindustrie

Im Energiebereich haben Banken langjährige Erfahrung mit der Bewertung komplexer Projektrisiken. Die Bewertung von Explorationsprojekten, Pipeline-Investitionen oder Raffineriekapazitäten erfolgt nach standardisierten Methoden, die CAPEX (Investitionsausgaben), OPEX (Betriebskosten) und ROI transparent darstellen. Diese Disziplin fehlt oft bei der Bewertung interner Projekte und Risiken im Finanzsektor.

Wie die Adey Meselesh GmbH in ihrem Artikel über internationale Industrieprojekte betont, sind verlässliche Partnerschaften im komplexen Geflecht globaler Wertschöpfungsketten entscheidend. Dies gilt umso mehr für die Finanzindustrie, deren Vernetzung und Abhängigkeiten kaum zu überschauen sind.

Risikobewertung und regulatorische Anforderungen

AML (Anti-Geldwäsche) und KYC (Know Your Customer)
Trotz verschärfter Regulierung bleiben Schwachstellen bestehen:

  • Fragmentierte KYC-Prozesse across verschiedene Abteilungen und Tochtergesellschaften
  • Unzureichende Überprüfung von Politically Exposed Persons (PEPs) in vermeintlich „low-risk“ Segmenten
  • Mangelnde Transparenz in komplexen Firmenkonstrukten internationaler Mandaten

Eine falsche Handhabung von AML/KYC kann zu erheblichen Schadenssummen führen. Die jüngsten Geldbußen im Bereich der Anti-Geldwäsche erreichten dreistellige Millionenbeträge – dazu kommen reputative Schäden und Vertrauensverluste.

Datenbasierte Bilanzanalyse
Banken und Versicherungen sollten bei der Risikobewertung besonderes Augenwerk auf folgende Punkte legen:

  • Angemessenheit der Rückstellungen in der Versicherungsbilanz
  • Bewertung von derivativen Positionen und komplexen Finanzinstrumenten
  • Exposure gegenüber systemrelevanten Verbindlichkeiten
  • Stresstesting unter Berücksichtigung vernetzter Risiken

Wie im Artikel „Meeting Plan: Themenschwerpunkte Global Projects Overview CAPEX OPEX ROI“ beschrieben, ist die transparente Darstellung von Investitionsausgaben (CAPEX), Betriebskosten (OPEX) und Return on Investment entscheidend – eine Methodik, die auch für die Bewertung von Compliance-Investitionen und Risikomanagement-Projekten im Finanzsektor angewendet werden sollte.

Umsetzungsstatus in der Finanzindustrie

Bereits erfüllte Punkte:

  • Umsetzung grundlegender AML/KYC-Anforderungen nach MaRisk und BAIT
  • Etablierte Risikocontrolling-Systeme für Markt- und Kreditrisiken
  • Regelmäßige regulatorische Berichterstattung an Aufsichtsbehörden

Noch zu erfüllende Punkte:

  • Integrierte Risikosicht across Banken, Versicherungen und Kapitalmarktaktivitäten
  • Standardisierte Bewertung von Compliance-Investitionen als Business Case
  • Transparente Darstellung von Risikokosten in der GuV
  • Branchenweite Standards für die Bewertung von IT-Risiken und Cyber-Security

Fazit

Die Finanzindustrie sollte ihre eigenen Maßstäbe, die sie für die Bewertung von Öl- und Gas-Projekten entwickelt hat, konsequent auf sich selbst anwenden. Dies bedeutet nicht nur die Implementierung technischer Standards, sondern eine grundlegende Änderung der Risikokultur: Von silo-basierten Einzelbetrachtungen hin zu einer integrierten Sicht auf systemische Risiken.

Durch die Anwendung bewährter Methoden aus dem Projektgeschäft – transparente CAPEX/OPEX-Kalkulationen, klare ROI-Bewertungen und stringentes Partner-Management – können Banken und Versicherungen ihre Widerstandsfähigkeit stärken und gleichzeitig ihre Rolle als verlässliche Partner in der Wirtschaft wahrnehmen.


Quellen:

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