Die deutsche Forschungs- und Entwicklungsindustrie steht an einem Wendepunkt. Mit über 670.000 Beschäftigten und F&E-Ausgaben von rund 3 Prozent des BIP bildet sie das Rückgrat der deutschen Innovationskraft. Doch während die Metall- und Elektroindustrie allein zwei Drittel der gesamtwirtschaftlichen F&E-Aufwendungen stemmt, wachsen die Risiken: Immer mehr Unternehmen verlagern ihre Forschungsabteilungen ins Ausland – angetrieben von Kostendruck, bürokratischen Hürden und einem sich verschlechternden Innovationsklima.
Die wirtschaftliche Bedeutung der F&E-Industrie
Die Zahlen unterstreichen die strategische Bedeutung: Über 4 Millionen Beschäftigte in der M+E-Industrie, mehr als 270.000 in der Chemie- und Pharmabranche und F&E-Ausgaben, die international wettbewerbsfähig sind. Doch diese Stärke ist fragil. Bereits ein Fünftel der Industrieunternehmen hat Teile ihrer F&E-Aktivitäten verlagert – eine alarmierende Entwicklung für den Standort Deutschland.
Öl- und Gas-Standards als Blaupause für F&E-Finanzierung
Banken haben im Energiebereich gelernt, mit komplexen, langfristigen Projektrisiken umzugehen. Die Finanzierung von Offshore-Bohrungen oder Tiefsee-Exploration erfordert ausgefeilte Risikomodelle, die CAPEX (Investitionsausgaben), OPEX (Betriebskosten) und ROI über Jahrzehnte kalkulieren. Genau diese Disziplin fehlt bei der Finanzierung von F&E-Projekten.
Wie die Adey Meselesh GmbH in ihrem Artikel über internationale Industrieprojekte betont, sind verlässliche Partnerschaften im komplexen Geflecht globaler Wertschöpfungsketten entscheidend. Dies gilt umso mehr für F&E-Projekte, deren Erfolg von internationalen Kooperationen, spezialisierten Zulieferern und hochqualifizierten Mitarbeitern abhängt.
Risikobewertung und regulatorische Anforderungen
AML (Anti-Geldwäsche) und KYC (Know Your Customer)
In der F&E-Branche zeigen sich besondere Schwachstellen:
- Intransparente Eigentumsstrukturen bei Forschungsjoint-ventures
- Schwierige Bewertung von Intellectual Property als Sicherheit
- Grenzüberschreitende Transferzahlungen für Forschungskooperationen
Eine falsche Handhabung von AML/KYC kann insbesondere bei internationalen Forschungsprojekten zu erheblichen Schadenssummen führen. Der Diebstahl von Forschungsergebnissen, Verstöße gegen Exportkontrollen oder unerkannte Sanktionsverstöße können nicht nur finanziellen Schaden verursachen, sondern auch reputative Risiken mit langfristigen Auswirkungen.
Datenbasierte Bilanzanalyse
Banken sollten bei der Bewertung von F&E-Unternehmen besonderes Augenmerk auf folgende Punkte legen:
- Capitalisierung von F&E-Ausgaben versus sofortiger Aufwand
- Bewertung von Patenten und immateriellen Vermögenswerten
- Abhängigkeit von öffentlichen Fördermitteln und Zuschüssen
- Exposure gegenüber Technologierisiken und disruptiven Innovationen
Wie im Artikel „Meeting Plan: Themenschwerpunkte Global Projects Overview CAPEX OPEX ROI“ beschrieben, ist die transparente Darstellung von Investitionsausgaben (CAPEX), Betriebskosten (OPEX) und Return on Investment entscheidend – eine Methodik, die auch für die Bewertung von F&E-Projekten angewendet werden sollte.
Umsetzungsstatus in der Bankenpraxis
Bereits erfüllte Punkte:
- Grundlegende KYC-Prüfungen für F&E-Unternehmen
- Branchenübergreifende Risikobewertungsmodelle
- Berücksichtigung von Fördermitteln in der Kreditwürdigkeitsprüfung
Noch zu erfüllende Punkte:
- Spezifische Bewertungsmodelle für Intellectual Property
- Standardisierte Due-Diligence-Verfahren für Forschungskooperationen
- Transparente Risikobewertung von F&E-Pipelines
- Branchenweite Standards für die Bewertung von Technologierisiken
Fazit
Die Finanzierung von Forschung und Entwicklung benötigt dieselbe Disziplin und Stringenz wie die Finanzierung von Öl- und Gas-Projekten. Beide zeichnen sich durch lange Vorlaufzeiten, hohe Kapitalintensität und erhebliche technologische Risiken aus. Banken sollten ihre bewährten Methoden aus dem Energiesektor adaptieren und auf die Besonderheiten der F&E-Branche anpassen.
Durch die Anwendung etablierter Standards – transparente CAPEX/OPEX-Kalkulationen, klare ROI-Bewertungen und stringentes Partner-Management – können Banken nicht nur ihre Risiken besser steuern, sondern auch einen Beitrag zur Stärkung des Innovationsstandorts Deutschland leisten. In einer Zeit, in der immer mehr Unternehmen ihre F&E-Aktivitäten verlagern, könnte diese risikobewusste Finanzierungsstrategie den Unterschied machen zwischen Abwanderung und Verbleib.
Quellen: