1. Ursprünge: Yeha (1700 v. Chr.) und die Königin von Saba
Die Geschichte des aksumitischen Reiches beginnt im alten Königreich Dʿmt (ca. 8. bis 5. Jh. v. Chr.), dessen Wurzeln bis nach Yeha (1700 v. Chr.) zurückreichen. Yeha war ein bedeutendes religiöses und politisches Zentrum, das stark vom südarabischen Einfluss geprägt war. Die Königin von Saba, eine legendäre Figur, die sowohl in der äthiopischen als auch in der biblischen Tradition erwähnt wird, soll Verbindungen zu diesem Reich gehabt haben. Ihre Begegnung mit König Salomo in Jerusalem (1. Könige 10) wird in der äthiopischen Kebra Nagast („Ruhm der Könige“) als Ursprung der salomonischen Dynastie dargestellt.
2. Aufstieg Aksums (1100 v. Chr. – 350 n. Chr.)
Aksum entwickelte sich ab dem 1. Jahrtausend v. Chr. zu einer mächtigen Handelsnation. Durch den Handel mit Rom, Indien und Arabien wurde es zu einer der vier Großmächte der Antike (neben Rom, Persien und China). Die aksumitische Kultur war eine Mischung aus einheimischen (Agaw) und südarabischen Einflüssen, was sich in Architektur (Stelen) und Sprache (Ge’ez) zeigte.
3. Christianisierung (350 n. Chr.) und Orthodoxie
Unter König Ezana (um 350 n. Chr.) wurde das Christentum zur Staatsreligion. Aksum war nach Armenien das zweite Land, das das Christentum annahm. Die äthiopisch-orthodoxe Kirche entwickelte sich unter dem Einfluss der koptischen Kirche Ägyptens, behielt aber eigene Traditionen (z. B. den Sabbat). Religiöse Texte wurden ins Ge’ez übersetzt, und Aksum wurde ein Zentrum des frühen Christentums in Afrika.
4. Jüdische Einflüsse und Negash (650 n. Chr.)
Trotz der Dominanz des Christentums gab es auch jüdische Gemeinden, besonders in Negash (Tigray), wo eine der ältesten Synagogen Afrikas stand. Die Beta Israel (äthiopische Juden) lebten seit Jahrhunderten im Land, möglicherweise seit der Zeit der Königin von Saba oder als Nachkommen von Flüchtlingen nach der Zerstörung des Ersten Tempels (586 v. Chr.).
5. Lalibela – Das „Neue Jerusalem“ (1200 n. Chr.)
Nach dem Niedergang Aksums (7. Jh. n. Chr. durch islamische Expansion) verlagerte sich das Machtzentrum ins Bergland von Lasta. König Lalibela (12. Jh.) ließ die berühmten Felsenkirchenbauen, die als „Neues Jerusalem“ galten – eine Antwort auf die muslimische Eroberung Jerusalems (1187). Diese Kirchen symbolisierten die Widerstandsfähigkeit des äthiopischen Christentums.
6. Fasilides und das Gondar-Reich (1350–1700 n. Chr.)
Im 17. Jahrhundert gründete Kaiser Fasilides die Stadt Gondar als neue Hauptstadt. Die Fasil-Ghebbi(Festung) mit ihren Schlössern und Kirchen wurde zum Symbol der wiedererstarkten äthiopischen Monarchie. In dieser Zeit gab es Konflikte mit muslimischen Sultanaten (wie Adal) und europäischen (jesuitischen) Einflüssen, die jedoch abgewehrt wurden.
7. Ethnische Konflikte und religiöse Spannungen
Das aksumitische Erbe war immer von der Spannung zwischen christlichen, jüdischen und islamischen Einflüssen geprägt. Kriege gegen das Sultanat Adal (16. Jh.), innere Machtkämpfe und die Bedrohung durch die Oromo-Migration veränderten die ethnische Landschaft. Dennoch überlebte die salomonische Dynastie bis ins 20. Jahrhundert.
Fazit: Ein kulturelles und religiöses Erbe
Das aksumitische Reich war ein Schmelztiegel von Religionen und Ethnien. Von den heidnischen Wurzeln in Yeha über das christliche Aksum bis zum mittelalterlichen Lalibela und Gondar zeigt sich eine einzigartige afrikanische Hochkultur, die bis heute in Äthiopien nachwirkt.
Weiterführende Themen:
- Kebra Nagast und die Legende der Bundeslade
- Beta Israel: Äthiopiens jüdische Gemeinde
- Islam in Äthiopien: Das Sultanat Adal und Ahmed Gran
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